Gastbeitrag: Bedürfnisorientierte Elternschaft und Stoffwindeln

Gastbeitrag: Bedürfnisorientierte Elternschaft und Stoffwindeln

Ein Gastbeitrag von Annika Pinetz, Initiate Love

„Attachment Parenting“? Stoffwindeln? Was ist das überhaupt und was haben diese beiden Dinge miteinander zu tun?
In diesem Artikel soll es darum gehen, einen Zusammenhang zwischen bedürfnisorientier Erziehung und dem Wickeln mit Stoffwindeln herzustellen. Im ersten Teil soll der Schwerpunkt auf dem bedürfnisorientierten Erziehungsstil liegen, im zweiten Teil auf den Stoffwindeln. Im dritten Teil wage ich einen Zusammenschluss dieser beiden Gegenstände.

„Meines Erachtens empfiehlt es sich grundsätzlich, weniger von „Erziehung“ als vielmehr von „Beziehung“ zu sprechen.“

Zuallererst: das Thema Erziehung ist generell sehr heikel, da die Ansichten verschiedener Menschen hier mitunter weit auseinander gehen. Nicht selten kommt es in diesem Bereich zu starken Meinungsverschiedenheiten zwischen Frauen, Familien und sogar Generationen.
Meines Erachtens empfiehlt es sich grundsätzlich, weniger von „Erziehung“ als vielmehr von „Beziehung“ zu sprechen. Ich finde es wichtig, den eigenen Kindern auf Augenhöhe zu begegnen und ihnen nicht stur zu diktieren, was sie denn „zu tun und lassen“ hätten.
Das Wort „Erziehung“ weckt in mir oft Assoziationen wie „Unterweisung“ und „Formung“, was ich als veraltet und nicht zeitgemäß ansehe. Sucht man das Wort Erziehung im Duden, wird einem sogar der verwandte Begriff „Dressur“ vorgeschlagen. In meinem Kopf werden dann Bilder von tanzenden Zirkusäffchen lebendig, um es übertrieben zu formulieren (nicht, dass ich die Dressur von Tieren okay finden würde – tue ich nicht – aber darum soll es hier nicht gehen). Das Wort Beziehung jedoch wird oft gleichbedeutend mit „Verbindung“ gebraucht, was deutlich humaner klingt, wie ich finde.
Wie dem auch sei – heutzutage ist oft die Rede von „Bedürnfnisorientier Beziehung“, auch „Attachment Parenting“ genannt, doch was kann man darunter eigentlich verstehen?


sind so kleine Hände Annika Pinetz initiate.love Babyhand


Bedürfnisorientierte Erziehung basiert auf dem Grundprinzip, dass für eine gesunde und ethische Kindesentwicklung ein fürsorgliches, von Liebe erfülltes Verhältnis zu wenigstens einem Elternteil bestehen muss.
Zur Veranschaulichung ein Beispiel aus der Praxis: Baby’s Grundbedürfnis nach innigem Körperkontakt wird respektiert und erfüllt. Immer. Punkt. Die Annhame, dass man Kinder „verwöhnen“ könne, ist hier also absolut fehl am Platz. Für viele Mütter ist es mittlerweile zur Selbstverständlichkeit geworden, die Bedürfnisse ihres Babys oder (Klein-)Kindes unmittelbar zu befriedigen, denn: es sind grundlegende menschliche BEDÜRFNISSE, keine „Wünsche“ oder „besonderen Anliegen“.
Das Problem an der ganzen Sache ist nun, dass bedürfnisorientiere Erziehung oft mit schlechter Erziehung oder gar mit üblen Manieren verwechselt wird. Synonyme wie „Regellosigkeit“ oder „Ungezogenheit“ drängen sich unweigerlich auf.
„Das Kind wird dir irgendwann einmal auf der Nase herumtanzen“ oder „Der Bengel weint doch jetzt nur, weil er weiß, dass er dich so ködern kann“ sind bloß zwei von zahlreichen möglichen Aussagen, die man über sich ergehen lassen muss.
An genau dieser Stelle muss ich entschieden widersprechen: ein an den Bedürfnissen des Kindes angelehnter Erziehungsstil meint nämlich nicht die Erfüllung sämtlicher Wünsche, sondern das Wissen, stets eine zuverlässige und zugleich liebevolle Bezugsperson an seiner Seite zu haben.
Außerdem lässt sich nur allzu oft beobachten, wie hemmend sich Verbote und strenge Dogmen auf das Verhalten unserer Kleinsten auswirken. Bedürfnisorientierung meidet genau das und setzt auf ein Mitgestaltungsrecht der Kleinen.
Und noch etwas: wir sprechen hier keineswegs vom laissez-faire-Erziehungsstil, bei dem die Eltern eine komplett passive Rolle einnehmen und ihren Kindern alle Entscheidungen selbst überlassen. Wir sprechen von der Annahme, dass Kinder und Erwachsene ihrem Wesen nach völlig gleichberechtigt sind.
Bestimmt kennt ihr die Bedürfnispyramide von Maslow oder habt zumindest schon einmal von ihr gehört. In der Sozialpsychologie wird dieses Modell zur Darstellung menschlicher Bedürfnisse und Motivationen verwendet (https://de.wikipedia.org/wiki/Maslowsche_Bedürfnishierarchie). Man muss kein Experte sein, um das Offensichtliche wahrzunehmen: körperliche Bedürfnisse und Sicherheits- sowie soziale Bedürfnisse ( z. B. Bonding direkt nach der Geburt, Babytragen und Stillen nach Bedarf) kommen vor allen anderen Bedürfnissen! Individuelle Begehren und die Selbstverwirklichung gehören hingegen zu den „höheren“ Zielen eines Menschen.
Wenn das mal nicht Beweis genug ist, dass an diesem Erziehungsstil nichts Verkehrtes ist…
Schlussendlich kann ich zwar nur für mich selber sprechen, aber ich kann mich mit Attachment Parenting total identifizieren!

„Erst als ich Jahre später eine Dokumentation über Wegwerfwindeln im Fernsehen sah, fing ich an, mich näher mit dem Thema Wickeln und mit Windeln im Allgemeinen zu befassen.“

Kommen wir nun zum Thema Stoffwindeln. 😉
Ich weiß noch, dass ich in meiner Schwangerschaft eine Menge Zeit und Mühe in die Erstausstattung für mein Baby investiert habe. Ob Kinderwagen, Gitterbett oder Spielsachen – als werdende Eltern hat man etliche Vorbereitungen zu treffen.
Ehrlich gesagt habe ich mir anfangs nur wenige Gedanken über Stoffwindeln gemacht. Genau genommen wäre ich gar nicht auf die Idee gekommen, überhaupt mit Stoff zu wickeln.
Das heißt – und ich bin an dieser Stelle absolut ehrlich zu euch – auch ich habe damals Berge an vermeidbarem Müll produziert. 🙁
Erst als ich Jahre später eine Dokumentation über Wegwerfwindeln im Fernsehen sah, fing ich an, mich näher mit dem Thema Wickeln und mit Windeln im Allgemeinen zu befassen. Ehrlich gesagt fand ich es regelrecht schockiernd, welche Unmengen an Abfall durch den Gebrauch von Einwegwindeln anfallen.
Wusstet ihr, dass es durchschnittlich 450 Jahre dauert, ehe Einwegwindeln biologisch abgebaut werden (Quelle: www.activeseakayaking.ca)? Als ich diese Zahl zum ersten Mal vor Augen hatte, war ich sprachlos. 450 (!) Jahre – könnt ihr euch das überhaupt vorstellen???
Müllberge, hohe Kosten und ständiges Nachkaufen – sollte man sich das im 21. Jahrhundert überhaupt noch antun? Nein! Das solltest du auch nicht! (Und sollte ich noch einmal schwanger werden, beherzige ich das ebenfalls – versprochen. ;-))

sind so kleine Hände Annika Pinetz initiate.love Stoffwindel

Mittlerweile ist es denkbar einfach, hochwertige wiederverwendbare Stoffwindeln zu erwerben und gleichzeitig einen wesentlichen Beitrag für unsere Umwelt zu leisten!
Plus: nachhaltig zu windeln ist langfristig gesehen sooo viel günstiger als zu Pampers & Co. zu greifen. Pocketwindeln, Prefolds, Saugeinlagen und dergleichen mehr ermöglichen ein unkompliziertes Wickeln und ihr schont damit wertvolle Ressourcen und sagt automatisch „Ja“ zu mehr Nachhaltigkeit!

Stoffwindeln sind aber nicht bloß ökofreundlich, sondern sehen in den meisten Fällen auch noch um einiges besser aus als herkömmliche Einwegwindeln, und sie besitzen eine angenehmere Haptik. Noch dazu verzichten die meisten Hersteller auf den Zusatz schädlicher Chemikalien. Darüber hinaus gibt es eine große Variablität, was die einzelnen Stoffwindelsysteme anbelangt – ob Höschenwindeln, Pockets oder All-In-Ones – hier kommt eigentlich jede Mama auf ihre Kosten!

Ihr fragt euch bestimmt schon, was denn nun Stoffwindeln mit Attachment Parenting/Bedürfnisorientierter Erziehung zu tun haben, oder?
Die einfache Antwort lautet: Alles und Nichts. Aber das wollen wir uns im Folgenden etwas genauer ansehen:

„Das mag anfangs vielleicht befremdlich sein, normalisiert sich in der Regel jedoch schnell.“

Zunächst einmal geht es beim bedürfnisorientierten Erziehen um eine intensive, hingebungsvolle Eltern-Kind-Bindung mit viel körperlichem Kontakt – auch der Umgang mit Stoffwindeln geht mit viel Körperkontakt und Nähe einher. Warum? Weil Mütter (und Väter), die mit Stoff wickeln, häufig ein hohes Bewusstsein für die Körperlichkeit ihres Kindes entwickeln. Diese Eltern merken oft intuitiv, wann ihr Baby „mal muss“, wann es Zeit für einen Windelwechsel ist und dass der Umgang mit den Ausscheidungen des eigenes Babys nicht mit Ekel und Widerwillen verbunden sein muss!
Während benutzte Einwegwindeln einfach im nächsten Windeleimer entsorgt werden, erfordern Stoffwindeln eine manuelle Reinigung. Das mag anfangs vielleicht befremdlich sein, normalisiert sich in der Regel jedoch schnell. Und indem Mama/Papa die Reste in der Windel erst in der Toilette entsorgen und das gute Stück anschließend mit der Hand vorreinigen muss, erlangt sie/er eine besondere Sensibilität für den Körper ihres/seines Kindes.

Des Weiteren könnte man argumentieren, dass Eltern, die sich für diese Art von Erziehung entscheiden, zugleich ein stärker ausgeprägtes Umweltbewusstsein hätten und eben aus diesem Grund „nachhaltig windeln“ möchten.
„Wem die Bedürfnisse seines Babys oberste Priorität sind, der ist auch an einem schonenden Umgang mit Ressourcen interessiert“ (meine eigene Formulierung) – so oder so ähnlich könnte der Grundsatz dahinter lauten.

„So kann eine Mutter ihr Kind fürsorglich und respektvoll erziehen und dennoch mit Einwegwindeln wickeln – und das macht sie sicherlich nicht zu einer schlechteren Mama!“

Um es auf den Punkt zu bringen: ich bin der Überzeugung, dass es Berührungspunkte zwischen einem bedürfnisorientierten Erziehungsstil und dem Wickeln mit Stoffwindeln gibt. ABER: Ich denke eben NICHT, dass es hier einen kausalen Zusammenhang gibt.
So kann eine Mutter ihr Kind fürsorglich und respektvoll erziehen und dennoch mit Einwegwindeln wickeln – und das macht sie sicherlich nicht zu einer schlechteren Mama! Schließlich hat jeder Mensch individuelle Vorlieben und das ist auch gut so!

Natürlich sind Stoffwindeln sooo viel besser für unseren Planeten, trotzdem dürfen sich Eltern davon nicht gestresst fühlen. Gestresste Eltern können ihrem Kind nicht das geben, was es braucht – das Gegenteil von Attachment Parenting also…

Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Nur, weil „Mama A“ die vielen Vorteile von Stoffwindeln sieht, muss das für „Mama B“ noch lange nicht genau so sein. „Mama B“ könnte ja der Auffassung sein, dass Stoffwindeln ständig gewaschen werden müssen und dies einen Zuwachs an Arbeit bedeuten würde.

Viel wichtiger, als „Nicht-mit-Stoff-wickelnden-Eltern“ Vorwürfe zu machen, wäre es meiner Meinung nach, Gegenargumente zu liefern: „Ich kann dich verstehen, denn mir ging es zu Beginn ähnlich. Aber wenn du erst einmal siehst, wie einfach es ist, wirst du es lieben“ – Aussagen wie diese stellen nur eine Möglichkeit von vielen dar.

„Ich würde es wirklich schön finden, bei bedürfnisorientierten Eltern mehr Sensibilität für Stoffwindeln zu schaffen.“

Letzten Endes denke ich, dass Attachment Parenting vorrangig etwas mit innerer Überzeugung zu tun hat – bei Stoffwindeln hingegen liegt der Fokus nicht auf der persönlichen Haltung, sondern auf Umweltfreundlichkeit.
Ich würde es wirklich schön finden, bei bedürfnisorientierten Eltern mehr Sensibilität für Stoffwindeln zu schaffen. Umgekehrt sollten auch Stoffwindel-Liebhaber sich mit bedürfnisorientierter Erziehung auseinandersetzen.
Als unbedingt nötig betrachte ich einen Zusammenschluss aber nicht – ganz nach dem Motto „Alles kann, nichts muss“ eben.

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Über die Autorin

Annika Pinetz
26 Jahre alt, Germanistin, Mama einer 6-jährigen Tochter, Gründerin des Online-Shops „Initiate Love“
Bei mir findest du Stoffwindeln/Prefolds aus Baumwolle, einzigartige Pocketwindeln und trendige Wickelrucksäcke.
Außerdem blogge ich zu den Themen Stoffwindeln, Kinderwunsch/Schwangerschaft und (bald) mehr.
Hier findest du mich:
Website: https://www.initiatelove.info/
Blog: https://www.initiatelove.info/baby-schwangerschaft-ovulation
Online-Shop: https://www.initiatelove.info/shop
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